Mit www.pflege-onkologie.de bleiben Sie auf dem Laufenden: Wissenswertes, Interessantes und Aktuelles für Pflegekräfte und medizinisches Fachpersonal in der Onkologie.
Der diesjährige 18. Springer Gesundheitspflege-Kongress, der von Bristol Myers Squibb unterstützt wurde, ist als „Pflegegipfel des Nordens“ das Highlight für Pflegekräfte. Bedingt durch COVID-19 wurde der Kongress erstmalig virtuell durchgeführt – unter anderem auch mit Expertenvorträgen als Live-Stream – kostenlos und ohne Teilnahmebeschränkungen. In diesem Rahmen berichteten die Diplom-Pflegewissenschaftlerin und onkologische Fachpflegekraft Anja Wesemann und die Hämatologin und internistische Onkologin Dr. Wiebke Hollburg, ihre Erfahrungen und Tipps zur Teamarbeit zwischen Ärzten und der Pflege in dem jungen Bereich der Immunonkologie. Als Fazit des Webinars blieb festzuhalten, dass die Immunonkologie neben enormen Chancen auch Herausforderungen in Form von Nebenwirkungen birgt. Allerdings sind diese meist gut behandelbar, insbesondere wenn Ärzte und Pflegekräfte im Team arbeiten und Patienten gut beraten und betreut sind.
Dr. Hollburg betonte in ihren eröffnenden Worten, dass die Tumortherapie vom Team lebe, ob Bestrahlung, Chemotherapie oder Immuntherapie. Der Austausch zwischen den Fachdisziplinen sei dementsprechend wichtig. Wie sie das zusammen mit ihrer Kollegin Frau Wesemann in der renommierten Hämatologisch-Onkologischen Praxis Altona (HOPA) im Bereich der Immunonkologie umsetzen, beispielsweise in einer Pflegesprechstunde, berichteten sie im Verlauf des Webinars.
Zunächst erklärte Dr. Hollburg die Wirkmechanismen und Behandlungsansätze klassischer Zytostatika sowie zielgerichteter Therapien und stellte die neue Wirkweise der Immuntherapie gegenüber.
Erfahren Sie alles zur Wirkweise der Chemotherapie , zielgerichteter Krebstherapien sowie zu immunonkologischen Therapien
Hier geht´s zum Film zur Wirkweise der immunonkologischen Therapie.
Mittlerweile können mit der Immunonkologie viele Krebserkrankungen behandelt werden, darunter Brustkrebs, Nierenkrebs und allen voran der Hautkrebs – die Modellerkrankung, bei der immuntherapeutische Medikamente erstmals zum Einsatz kamen. Dr. Hollburg betonte die herausragende Wirksamkeit: „Patienten in metastasierten Situationen konnten kaum behandelt werden. Jetzt können sie mehrere Jahre überleben und die Krankheit kann sogar zum Stillstand kommen.“ Doch es gibt auch in der Immunonkologie Nebenwirkungen, die an nahezu jedem Organsystem auftreten können, so Dr. Hollburg. Da sie zu unterschiedlichen Zeiten auftreten können, sogar noch nach Abschluss der Therapie, ist für das Therapiemanagement und die Patientenbetreuung die Beobachtung und Früherkennung von Nebenwirkungen besonders wichtig, um zeitnah reagieren zu können.
Abbildung: Immunonkologie: Welche Tumorarten behandelt werden können und welche Organe von Nebenwirkungen betroffen sein können
„Damit diese Früherkennung gelingen kann, müssen Patienten geschult werden“, so Frau Wesemann. Zu diesem Zweck nutzen Frau Wesemann und Dr. Hollburg ein etabliertes Konzept in der HOPA: die Pflegesprechstunde. Nach dem Arztgespräch, in dem der Patient ausführlich von Dr. Hollburg zur Therapie aufgeklärt wurde, geht er zu Frau Wesemann in die Pflegesprechstunde, um dort gemeinsam die sogenannte Erstberatungs-Mindmap zu erarbeiten. Ziel ist es, dem Patienten genau zu erklären, auf welche Symptome er achten muss und wie er Symptome der Erkrankung von anderen Beschwerden unterscheiden kann. Dabei werden verschiedene mögliche Symptome besprochen:
Verändert sich die Urinmenge oder der Stuhl?
Verändern sich Gewicht oder Haut?
Hat er geschwollene Beine oder Fieber?
Fällt das Luftholen schwer?
Eine erarbeitete Mindmap erhält der Patient, eine Kopie wird in seiner Akte abgelegt. So kann jeder Kollege aus der Pflege in der nächsten Sprechstunde Punkte gezielt aufgreifen. Eine Alternative zur Mindmap ist die Nutzung der Patientenpässe zur jeweiligen Therapie.
Entscheidend in dem Konzept der HOPA ist die engmaschige Betreuung durch das Team aus Pflege und Arzt: Patienten werden dazu geschult, sich selbst genau zu beobachten und dazu ermutigt, sich bei der kleinsten Änderung zu melden – per E-Mail, Praxistelefon oder Notfall-Telefon. Denn die Früherkennung von Nebenwirkungen ist bei der Immuntherapie entscheidend, handelt es sich doch potentiell um eine überschießende Immunreaktion. „Diese ist vergleichbar mit einer Lawine, die abgefangen werden muss, wenn sie noch ein Schneeball ist!“, beschreibt Dr. Hollburg. Häufige und sehr häufige Nebenwirkungen im Rahmen der Immunonkologie betreffen folgende Organe:
Haut
Magen-Darm-Trakt
Leber
Lunge
Dabei sind nicht alle dieser Nebenwirkungen vom Patienten selbst zu erkennen, z. B. Nebenwirkungen im Bereich der Lunge: Diese können sich zwar über Atembeschwerden oder Husten äußern, doch genaue Ergebnisse liefert erst das CT. Auch Nebenwirkungen der Leber lassen sich häufig nur über Laboruntersuchungen nachweisen und werden von den Patienten nicht selber bemerkt.
Wenn tatsächlich eine Nebenwirkung auftritt, muss die Immuntherapie zunächst häufig abgebrochen und ggf. systemisch mit Kortison bzw. mit Kortikoiden behandelt werden. Dabei kann es auch durch Kortikoide zu Nebenwirkungen kommen, die überwacht und betreut werden müssen. Hier spielt die Pflegesprechstunde erneut eine wichtige Rolle. In der HOPA habe es sich laut Dr. Hollburg bewährt, dass die Pflege die Kortison-Therapie mit den Patienten bespricht: So erreicht man die nötige Therapieadhärenz und kann Vertrauen zur Therapie vermitteln.
Den von Frau Wesemann vorgestellten Fragebogen zur Erhebung des Patientenzustandes füllt der Patient vor jeder Sprechstunde aus. Ein Barometer liefert schnell eine Antwort auf das Wohlbefinden des Patienten; das Befinden der Organe, die häufig von Nebenwirkungen betroffen sind, wird zusätzlich im Detail abgefragt. Damit können sich Arzt und Pflegekraft sehr schnell einen guten Überblick über den Zustand und Verlauf des Patienten verschaffen.
Fragebogen zur Beurteilung immunvermittelter Nebenwirkungen; ©Bristol-Myers Squibb
Dieser Fragebogen steht auf www.bms-onkologie.de. im Login-geschützten Bereich zur Verfügung.
Können die Maßnahmen zur Linderung der Nebenwirkungen, die als Folge der Immuntherapie entstanden sind, ambulant nicht behoben werden oder handelt es sich um schwere und akute Nebenwirkungen, müssen Patienten in die Klinik eingewiesen werden. Doch auch in der Klinik gilt es laut Dr. Hollburg, die Pflegekräfte wieder gut ins Therapieteam mit einzubeziehen, um die Kommunikation Arzt-Pflege-Patient zu unterstützen.
Die Immunonkologie ist eine vergleichsweise junge Disziplin. Daher ermutigt Frau Wesemann dazu, besonders in diesem Therapiegebiet unbedingt Teams zu bilden, sich mit anderen Disziplinen zu vernetzen und Erfahrungen auszutauschen. Schließlich seien alle Beteiligten in diesem Bereich noch am Lernen. Für Pflegekräfte nennt Frau Wesemann abschließend noch ihre persönlichen Top 3 an Literaturempfehlungen:
Im PDF werden die Wirkmechanismen, Nebenwirkungen, Symptome, verschiedene Phasen und Stadien der Immuntherapie sehr gut beschrieben und es lässt sich sowohl für das Gespräch mit den Patienten als auch für die Einarbeitung neuer Mitarbeiter nutzen.
Auf der Website werden alle neuen immunonkologischen Präparate hinterlegt, die dann über das Suchfeld recherchiert werden können. Es steht umfassendes Material wie die Patientenkarte und Schulungsmaterial für medizinisches Personal zur Verfügung. Erreichbar unter www.pei.de
Speziell für Pflegekräfte bietet das Portal umfassende Infos und Materialien rund um die Immuntherapie. Das aktuellste Format auf der Website ist die neue Podcast-Reihe „Pflege für die Ohren“, die Wissenswertes, Praxistipps und Aktuelles für Pflegekräfte und medizinisches Fachpersonal in der Onkologie bietet.
Der Deutsche Pflegetag fand in diesem Jahr – bedingt durch die Corona-Epidemie – digital statt. So konnten sich die Teilnehmer zu den für sie interessanten Vorträgen per Livestream zuschalten. Auch Bristol Myers Squibb steuerte spannende Themen für die Pflege bei: Mit einer zweiteiligen Vortragsreihe der Diplom-Pflegewissenschaftlerin und onkologischen Fachpflegekraft Anja Wesemann zur Immunonkologie und der Rolle der Pflege bei immunonkologisch behandelten Patienten. Während sie im ersten Teil des Vortrags auf die Wirkweise der Immunonkologie in Abgrenzung zu bisherigen Krebsbehandlungen einging, beleuchtete sie in einem zweiten Teil den Pflegealltag im ambulanten Umfeld anhand von Patientenfällen. Als Fazit hielt Wesemann fest, dass die Immunonkologie eine überwiegend gut verträgliche Therapie mit guten Aussichten für Krebspatienten sei. Allerdings müsse ein Umdenken bezüglich der Reaktion auf Nebenwirkungen sowie ein enger Austausch zwischen den einzelnen Disziplinen stattfinden.
Zunächst stellte Frau Wesemann die jüngste Säule der Krebstherapie den drei bisherigen Säulen gegenüber: Operation, Bestrahlung und konventionelle medikamentöse Therapien. Nachdem sie das Hintergrundwissen zur Wirkweise zytostatischer und zielgerichteter Therapien, die Krebszellen direkt bekämpfen, für alle Teilnehmer auffrischte, ging sie auf die besondere Wirkweise der Immunonkologie ein: der indirekten Krebsbekämpfung über die Stärkung des eigenen Immunsystems.
Erfahren Sie mehr zur Wirkweise immunonkologischer Therapien.
Die Immunonkologie eröffnet als zusätzliche Behandlungsoption Chancen für viele Patienten. Sie ist generell gut verträglich, doch Nebenwirkungen können auch hier auftreten. Entscheidend für die Pflege ist zu wissen, dass sich diese immunvermittelten Nebenwirkungen von denen klassischer Krebstherapien unterscheiden: Sie können an nahezu jedem Organ auftreten und der Zeitpunkt kann – anders als z. B. bei Chemotherapien – nur schwer vorhergesehen werden.7,8,9 Daher ist es wichtig, frühzeitig zu reagieren und eine entsprechende Behandlung einzuleiten.7,8,9 Damit dies gelingt, müssen Patienten bezüglich möglicher Nebenwirkungen gut geschult werden. Genau hier ist Frau Wesemann tätig: in der Pflegeberatung. „Wir beraten Patienten und ihre Angehörigen damit sie zuhause Nebenwirkungen der immunonkologischen Therapie erkennen und adäquat reagieren können. so Frau Wesemann. So tragen sowohl der Patient als auch Pflege, medizinisches Fachpersonal und Arzt dazu bei, dass Nebenwirkungen frühzeitig erkannt und behandelt werden.
Finden Sie viele weitere Informationen und spannende Inhalte speziell für Pflegekräfte hier auf dem Fachportal für Pflegekräfte von Bristol Myers Squibb.
Laden Sie sich z. B. das Poster „Den Patienten im Blick“ zum Aushang in Ihren Therapieräumen herunter und nutzen Sie es für die Pflegeberatung Ihrer immunonkologisch behandelten Patienten: Einfach Organ für Organ mit dem Patienten durchgehen und Nebenwirkungen genau erklären.
Hier geht´s zu den Downloadmaterialien
Mit der Immunonkologie werden allerdings nicht nur in der Onkologie tätige Pflegekräfte konfrontiert: Immunvermittelte Nebenwirkungen sind nämlich Entzündungsreaktionen, deren Symptome denjenigen entzündlicher Erkrankungen sehr ähneln. Somit werden immunonkologisch behandelte Patienten auch auf anderen Stationen vorstellig. Der Austausch zwischen den Disziplinen ist daher umso wichtiger: Denn bei einem Krebspatienten, der z. B. mit Durchfall und Verdacht auf eine Salmonelleninfektion in der Gastroenterologie landet, kann es sich in Wirklichkeit durchaus um eine Nebenwirkung der Immunonkologie handeln. In diesem Zusammenhang stellte Frau Wesemann beispielhaft Patientenfälle aus drei verschiedenen Stationen vor: Innere Abteilung, Gastroenterologie und Gefäßchirurgie. Sie rief Pflegekräfte aller Abteilungen dazu auf, bei Krebspatienten aufmerksam zu sein und unbedingt nachzufragen, welche Krebstherapie diese bekommen. Da immunvermittelte Nebenwirkungen häufig Haut, Magen-Darm-Trakt, endokrine Organe, Lunge oder Leber betreffen, sei es laut Frau Wesemann besonders von Vorteil, Kollegen aus der Dermatologie, Gastroenterologie, Endokrinologie oder aber Apotheker zum Austausch heranzuziehen.
Wenn immunvermittelte Nebenwirkungen auftreten, ist es wichtig, diese zeitnah zu behandeln. Das Mittel der Wahl ist dabei Kortison bzw. Kortikoide.7,8,9 Auch hierbei ist die Beratung und Betreuung durch Pflegekräfte gefragt – denn bei Kortikoiden haben die meisten Patienten Bedenken. Eine Pflegeberatung kann diese allerdings meist ausräumen. „Es handelt sich meist um eine kurze Kortisonstoßtherapie, die ausgeschlichen wird, daher kommt es normalerweise nicht zu den typischen systemischen Merkmalen einer länger dauernden Kortisonbehandlung, die Patienten fürchten“, so Frau Wesemann.
Wie die Pflege über die medikamentöse Behandlung mit Kortikoiden hinaus zusätzlich zur Linderung der Nebenwirkungen beitragen kann, erklärte Frau Wesemann anhand zweier Beispiele.
An der Haut äußern sich die Nebenwirkungen meist in Form von Juckreiz, Hautrötungen oder auch geschwollenen oder nässenden Stellen. Zur Pflege oder auch als Empfehlung für den Patienten zu Hause bei nässender/entzündlicher Haut empfiehlt Frau Wesemann folgende Maßnahmen:3,4
Ringelblume, Stiefmütterchenkraut, Salbeiblätter (10 Min. Ziehzeit) oder Schwarztee (10–20 Min. Ziehzeit)
Ringelblume, Gänseblümchen oder Kamillenblüten
20–60 Min. einwirken lassen)
Der Juckreiz sei deutlich schwieriger in den Griff zu bekommen, doch Maßnahmen wie Gegenreize über Massagen oder Schmerzreize setzen, kühle Kompressen mit oder ohne Zusätzen, mentale Entspannungsverfahren, Kryosprays, kühle Salben oder eine Emulsion aus Stärkemehl in Wasser können zur Linderung beitragen. Vorbeugend kann der Patient von Anfang an eine Basishautpflege verwenden.3,4,5,10 Bei Durchfall als Nebenwirkung im Bereich des Magen-Darm-Trakts müsse zunächst geklärt werden, wie häufig dieser auftritt. Patienten müssen unbedingt darüber aufgeklärt werden, ihren Notfallkontakt zu nutzen, denn bereits bei einer Zunahme um 4 bis 6 Stühle pro Tag mehr als vor Therapie (Durchfall Grad 2) sollte der Patient in der Klinik behandelt werden. Darüber hinaus wird geprüft, ob andere Ursachen, wie Medikamente, Nahrungsmittel oder z. B. Salmonellen für den Durchfall verantwortlich sein könnten.
Wichtig für die Pflegeberatung bei Durchfall ist es, dem Patienten Empfehlungen zur Art und Menge der Flüssigkeitszufuhr sowie zu Lebensmitteln, die gegen den Durchfall helfen, an die Hand zu geben.
Abschließend hielt Frau Wesemann fest, dass der Therapieansatz der Immunonkologie sehr vielversprechend sei und eine überwiegend gute Verträglichkeit aufweise. Entscheidend für die Pflege sei, schnell auf Nebenwirkungen zu reagieren, Patienten gut zur Selbstbeobachtung zu schulen und sich laufend fortzubilden und Erfahrungen auszutauschen. Pflegekräfte können hier einen großen Beitrag leisten und nehmen eine entsprechend wichtige Rolle in der Immunonkologie ein.
In angloamerikanischen Ländern gibt es bereits seit 1910 erste Hochschulstudiengänge für die Pflege, in Deutschland ist ein Pflegestudium nach wie vor die Ausnahme. Doch wie wirkt sich ein Pflegestudium auf das Berufsbild und die Berufspraxis aus? Beispiele aus Großbritannien, den Niederlanden und anderen Ländern zeigen neue Perspektiven auf.
Pflegefachkräfte werden in Deutschland an Pflegeschulen ausgebildet. Der Fokus liegt dabei gemäß des 2020 in Kraft getretenen neuen Pflegeberufegesetzes auf einer generalistischen Ausbildung. Nach drei Jahren erhalten erfolgreiche Absolventinnen bzw. Absolventen den Berufsabschluss „Pflegefachfrau“ bzw. „Pflegefachmann“. Ziel der neu strukturierten Ausbildung ist es, Pflegekräfte auf die Herausforderungen der Zukunft vorzubereiten. Da sie nach der Ausbildung in allen Versorgungsbereichen der Pflege arbeiten können, stehen ihnen vielfältige Einsatzmöglichkeiten offen. Zudem wird der Berufsabschluss automatisch EU-weit anerkannt, man kann damit also auch im EU-Ausland als Pflegefachkraft arbeiten. Die tatsächlichen Vorteile der Veränderungen in der Pflegeausbildung werden sich allerdings erst in den nächsten Jahren herausstellen, so Kerstin Paradies, Vorstandssprecherin der KOK (Konferenz Onkologischer Kranken- und Kinderkrankenpflege).
Neben der Ausbildung an Fachschulen kann die Ausbildung zum Pflegeberuf auch an einer Universität erfolgen. Das Pflegestudium schließt mit der Verleihung des akademischen Grades durch die Hochschule ab und eröffnet neue Karrieremöglichkeiten sowie Aufstiegschancen. Die Berufsbezeichnung „Pflegefachfrau“ bzw. „Pflegefachmann“ wird dann in Verbindung mit dem akademischen Grad geführt. Aktuell liegt der Anteil an Pflegekräften mit einem Hochschulabschluss in Deutschland aber nur bei ein bis zwei Prozent. Damit unterscheidet sich Deutschland wesentlich von anderen Ländern, denn vielfach ist für die Zulassung als Pflegefachperson ein Hochschulstudium üblich.
In Großbritannien, Kanada und Schweden beispielsweise ist der Zugang zum Beruf regelhaft nur noch über ein Hochschulstudium möglich. In Schweden bieten derzeit 24 Universitäten und Hochschulen einen Pflegestudiengang an, der mit einem Bachelor of Science abgeschlossen werden kann. In Kanada sind „Registered Nurses“ mit einem Bachelorabschluss die zentrale Säule der pflegerischen Versorgung und in Großbritannien müssen alle registrierten Pflegefachkräfte einen Bachelorabschluss an einer Universität erworben haben. Dabei können sie sich auf ein bestimmtes Fach wie z.B. Erwachsene, Kinder, geistige Gesundheit oder Lernschwierigkeiten spezialisieren.
Einige Länder bieten zusätzlich auch die traditionellen Ausbildungsgänge an. Beispielsweise kann in der Schweiz der Abschluss Bachelor of Science an Fachhochschulen erworben werden, gleichzeitig werden auch diplomierte Pflegekräfte an höheren Fachschulen ausgebildet. Österreich bietet derzeit ebenfalls eine Ausbildung an beruflichen Schulen und parallel ein Hochschulstudium an. Die Fachschulausbildung ist allerdings nur noch im Rahmen einer Übergangsregelung möglich, ab 2024 wird es nur noch das Hochschulstudium geben. In den Niederlanden qualifizieren sich registrierte Pflegekräfte über ein Studium, das u.a. mit einem Bachelor of Nursing abgeschlossen werden kann. Daneben wird noch eine praxisorientierte Ausbildung angeboten, die mit einem Diplom abschließt, das aber nicht zur Registrierung als Pflegekraft berechtigt.
„Auch wenn in Deutschland ein Hochschulabschluss in der Pflege noch nicht üblich ist, kann sich das bisher in der Pflege Geleistete im internationalen Vergleich absolut sehen lassen. So wurden zahlreiche ärztliche Tätigkeiten in den vergangenen Jahren an uns delegiert“, erklärt Kerstin Paradies und ergänzt: „Dabei muss man sich aber fragen, ob die Pflege das tatsächlich möchte. Wir haben unser eigenes Berufsbild und sind mit den damit verbundenen Aufgaben komplett ausgelastet. Eine Akademisierung der Pflege in Deutschland um jeden Preis halte ich für problematisch. Ich erlebe, dass junge Menschen, die sich nach einer Ausbildung zum Krankenpfleger oder zur Krankenschwester für ein Studium entscheiden und dann einen Bachelor oder Master als Pflegewissenschaftler oder Pflegepädagogen machen, nicht mehr in der eigentlichen Pflege tätig sind. Sie wechseln oft ins Pflegemanagement oder in eine andere höhere Position.“
Durch ein Hochschulstudium stehen qualifizierten Pflegekräften auch in anderen Ländern attraktive Entwicklungs- und Karrieremöglichkeiten zu Verfügung. So gehören Pflegende mit einem Masterstudium („Advanced Nursing Practice“, ANP) in Großbritannien zum medizinischen Team und haben ein hohes Maß an Entscheidungsfreiheit – dazu gehören Beurteilungen, diagnostische und therapeutische Maßnahmen sowie Verordnungen auch bei komplexen Problemen des Patienten. In den Niederlanden können sich Pflegekräfte mit einem Bachelorabschluss in einem Masterstudiengang z.B. auf die Onkologiepflege spezialisieren. Diese Pflegefachkräfte dürfen Krebspatienten selbstständig behandeln.
Die veränderte Positionierung von Pflegefachkräften in anderen Ländern unterstreicht auch Kerstin Paradies anhand eines Beispiels aus Australien: „Wenn am Flughafen in Sydney jemand mit akuten gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hat, wird zunächst nicht ein Arzt, sondern eine Nurse gerufen.“
Paradies: Wenn wir es nicht schaffen, die Attraktivität des Pflegeberufes zu steigern, dann sehe ich sehr große Probleme auf uns zukommen. Schlechte Rahmenbedingungen, niedriges Gehalt und geringe Wertschätzung halten viele junge Menschen davon ab, sich für einen Pflegeberuf zu entscheiden. Es genügt nicht, in der Corona-Krise Beifall auf dem Balkon zu klatschen! Wichtig wären u.a. ein anderer Personalschlüssel und eine bessere Bezahlung. Andere Länder kommen hier deutlich besser voran als wir. Beispielsweise hat in Norwegen eine onkologische Pflegekraft maximal sechs Patienten zu betreuen, bei uns dagegen zwölf.
Paradies: In der onkologischen Pflege hat sich in den letzten Jahren schon viel getan, aber es muss weitere Veränderungen geben. Wenn wir vermehrt ärztliche Tätigkeiten übernehmen, muss geklärt werden, an wen wir Aufgaben abgeben können. Wichtig ist auch eine Kommunikation mit Ärzten auf Augenhöhe. Sowohl Ärzte als auch Pflegekräfte haben eine fundierte Ausbildung und jeder kann seine Fähigkeiten sowie seine Expertise zum Wohle der Patienten einbringen.
Warum ist die Pflege trotz aller Herausforderungen ein schöner Beruf?
Paradies: Die allermeisten Kolleginnen und Kollegen verrichten ihre Arbeit mit viel Herzblut, denn: Bei allen Schwierigkeiten die wir haben, geben uns die Patienten das Gefühl, dass wir wichtig für sie sind. Davon zehren wir.
Vielen Dank für das Gespräch!
Wichtige Quellen:
Wikipedia. Geschichte der Krankenpflege. https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Krankenpflege, zuletzt aufgerufen am 26.08.2020.
Pflegeausbildung.net. Voraussetzungen für die Ausbildung. http://www.pflegeausbildung.net/alles-zur-ausbildung/voraussetzungen-und-struktur.html, zuletzt aufgerufen am 26.08.2020.
Wie sieht Pflege in anderen Ländern aus? Der Blick über den Tellerrand kann neue Perspektiven eröffnen und dazu beitragen, die eigene Situation besser zu verstehen. Dafür haben wir einige Aspekte zur Arbeit als Pflegefachkraft in Deutschland und anderen Ländern für Sie zusammengetragen.
Hierher kommen meist chronisch kranke Patienten (z. B. mit Diabetes, Asthma oder Herzerkrankungen), um sich untersuchen oder behandeln zu lassen. Hier können sie außerdem Rezepte abholen oder sich impfen lassen. Das Besondere: In dieser Praxis arbeiten keine Ärzte, sondern ausschließlich „Nurse Practitioners“. Diese besonders qualifizierten Pflegeexperten führen die Praxis zusammen mit anderen Pflegenden, Sozialarbeitern und Therapeuten. Darüber hinaus sind sie einem Netzwerk mit ambulanten und stationär tätigen Allgemein- und Fachärzten angeschlossen. Grundlage für diese verantwortungsvolle Aufgabe ist ein Hochschulstudium mit einem Abschluss auf Masterniveau.
Die Herausforderungen: Zeitnot, Wissenszuwachs und Mangel an Pflegekräften
In vielen Ländern der Erde sind Pflegende bei ihrer Arbeit einem hohen Zeitdruck und hoher Arbeitslast ausgesetzt. Besonders betroffen scheinen dabei Pflegende in Deutschland: In einer aktuellen Befragung gaben drei Viertel der Pflegekräfte in Deutschland an, dass hoher Zeitdruck bei ihrer Arbeit zum Alltag gehört. In Japan waren es im Vergleich 53 % und in Schweden 40 %. Darüber hinaus berichten mehr als die Hälfte der Pflegekräfte in Deutschland von bezahlten Überstunden mindestens einmal pro Woche, in Schweden dagegen nur 13 %.
Der exponentielle Zuwachs an Wissen in der Medizin, immer komplexere Untersuchungsmethoden und Behandlungsformen stellen immer größere Anforderungen an die Ausbildung von Pflegefachkräften. Weitreichende Probleme sind außerdem demographischer Wandel und Pflegekräftemangel: Die immer älter werdende Gesellschaft hat einen immer höheren Bedarf an Pflegenden. Gleichzeitig nimmt die Zahl ausgebildeter Pflegekräfte ab – eine Schere, die sich immer weiter öffnet. In Schweden versucht man diesen Herausforderungen u. a. mit besseren Arbeitsbedingungen der Pflegenden sowie erweiterten Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten zu begegnen. In anderen Ländern wie beispielsweise in Großbritannien setzt man auf einen hohen Anteil an Pflegekräften aus dem Ausland. Dies könnte sich allerdings nach dem Vollzug des Brexit ändern.
Kraftvolle Vertretung der Interessen von Pflegenden
Bei der Durchsetzung der Interessen von Pflegenden kommt einer starken Berufsvertretung eine große Bedeutung zu. Doch gerade hier zeichnen sich große Unterschiede im Ländervergleich ab. So gibt es beispielsweise in den Niederlanden seit der Jahrtausendwende einen starken Pflegeverband, der zusammen mit politischen Akteuren versucht, den Herausforderungen des Pflegepersonalmangels zu begegnen. Auch in Kanada und Großbritannien gibt es starke und klar strukturierte Interessenvertretungen der Pflegenden sowie Organisationen mit Kammerfunktionen. In Großbritannien, wo Pflegende in hohem Maß selbstständig arbeiten, verlangt die Berufsordnung eine Akkreditierung, die regelmäßig verlängert werden muss.
In Deutschland bestand bisher in diesem Bereich Nachholbedarf, dem man mit Pflegeberufe-Reformgesetz auszugleichen versucht. Dabei soll das Profil der Pflegeberufe modernisiert und auf ein zeitgemäßes, professionelles Niveau angehoben werden. Bausteine sind beispielsweise eine Änderung der Ausbildungsordnung.
Pflege lernen: berufliche Ausbildung oder Hochschulstudium?
In Ländern wie Kanada, Großbritannien, den Niederlanden und Schweden hat man auf die gestiegenen Anforderungen bei Pflegeberufen bereits reagiert. Die Ausbildung von Pflegefachpersonen findet hier meist an Hochschulen statt. Die Basis der Ausbildung ist breit angelegt, mit der Möglichkeit sich auf einzelne Bereiche zu fokussieren.
Beispielsweise ermöglicht Schweden Pflegenden nach dem Studium die Spezialisierung auf bestimmte Tätigkeitsfelder, die attraktive Entwicklungs- und Karrieremöglichkeiten bieten. Auch in Großbritannien wird den registrierten Pflegefachkräften eine Vielzahl an Entwicklungsmöglichkeiten durch einen Kompetenz- bzw. Karriererahmen geboten. In den Niederlanden gibt es neben der Berufsqualifizierung über ein Studium weiterhin berufliche Ausbildungsangebote, die den bisherigen Ausbildungsgängen in Deutschland vergleichbar sind.
Innovative Pflegemodelle sorgen für gute Arbeitsbedingungen
Neben Änderungen in der Ausbildung und den Kompetenzbereichen von Pflegefachkräften gibt es eine Reihe spannender Modelle, die die Versorgung der Patienten und gleichzeitig die Arbeitsbedingungen der Pflegenden verbessern können.
Ein Beispiel sind Pflegebauernhöfe („Care Farms“), von denen es in den Niederlanden inzwischen 800 gibt, darunter 200 Höfe speziell für Menschen mit einer Demenz. Die Pflegebedürftigen werden tagsüber oder dauerhaft in den landwirtschaftlichen Betrieben betreut und können sich je nach Zustand und persönlichen Bedürfnissen an Garten- oder Tierpflege beteiligen. In den Pflegebauernhöfen können die Patienten vielfach wohnortnah und patientenzentriert im gewohnten Umfeld betreut werden, gleichzeitig dient das Programm der Struktursicherung und -entwicklung des ländlichen Raums.
Ebenfalls in den Niederlanden gibt es so genannte Buurtzorgs – eine Art professioneller Nachbarschaftshilfe. Die Pflegenden arbeiten dabei maximal selbstbestimmt in hierarchielosen, kleinen Teams. Als Grundsatz gilt: „Gute Pflege braucht zufriedene Pflegefachpersonen“. Seit kurzem gibt es das Pflegemodell der Buurtzorgs auch in Deutschland.
Das kanadische Konzept der Praxen mit Nurse Practitioners (siehe oben) existiert dagegen schon seit 15 Jahren. Es dient insbesondere der Versorgung der Menschen in ländlichen Regionen und führt zu einer stärkeren positiven Wahrnehmung der Rolle der Pflegenden in der Bevölkerung. Im Flächenland Kanada hat sich darüber hinaus schon seit Jahren TeleHealth als selbstverständlicher Bestandteil des Pflege- und Versorgungsalltags etabliert.
Pflege-Traumland Australien?
Wie in Großbritannien sind auch in Australien Pflegefachkräfte in Kammern organisiert. Diese geben mit ihren Berufsordnungen klare Rechte und Pflichten für die Pflegenden vor. So sind Pflegende beispielsweise für die Sicherheit der Patienten verantwortlich und müssen ggf. Bedenken gegenüber ärztlichen Anordnungen äußern. Ein Unterschreiten der festgelegten Personalschlüssel muss beim Nursing Board gemeldet werden. Diese Pflichten werden von allen respektiert – eine Diskussion darüber, ob z. B. auf einer vollen Station weitere Patienten aufgenommen werden, gibt es in der Regel nicht. Dies spiegelt das hohe Ansehen der Pflegekräfte in Australien wider.
Als Pflegekraft im europäischen Ausland arbeiten
Sie möchten als Pflegekraft in einem anderen europäischen Land Erfahrungen sammeln? Hier können Sie sich informieren:
Schweden: Freie Stellen sind beim schwedischen Arbeitsamt unter www.arbetsformedlingen.se zu finden; weitere Infos zum schwedischen Gesundheitswesen gibt es hier: www.socialstyrelsen.se
Österreich: Stellenangebote des Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbandes unter www.oegkv-fv.at/jobboerse/stellenangebote (in der Liste finden sich auch Angebote für die Schweiz)
Luxemburg: Die Jobbörse des Landes ist zu finden unter: www.jobs.lu
Schweiz: Stellen für Pflegeberufe in der Schweiz finden sich auf der Webseite des Schweizer Berufsverbands der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner unter www.carejobs.ch
Das Jahr der Pflegenden und der Hebammen hat die WHO 2020 ausgerufen – eine überfällige Würdigung von Berufen, die Menschen in entscheidenden Phasen ihres Lebens begleiten! Das aktuelle Verständnis der Pflege als Berufsbild ist jedoch relativ jung. Davor oblag die Versorgung von Kranken, Alten und Bedürftigen meist den Frauen der eigenen (Groß-)Familie.
Bereits in der Antike – der Zeit der alten Griechen und Römer von etwa 1.200 vor Christus bis 500 nach Christus – war die Beobachtung und ganzheitliche Wahrnehmung von Kranken ein wesentlicher Bestandteil der Behandlung. Es galt, die Grundbedürfnisse des Menschen zu erfassen und zu unterstützen – ganz im Sinne der Kernkompetenz der Pflege von heute. Allerdings erbrachten die Pflegeleistungen in der Antike neben Familienangehörigen vor allem Sklaven.
Mit dem Aufkommen des Christentums verbreiteten sich Gedanken zu Nächstenliebe und Barmherzigkeit als Basis der Fürsorge – Werte, die die Krankenpflege bis heute entscheidend prägen. Organisiert war die Pflege in Form der Diakonie: Die Hilfeleistungen wurden mit „Gottes Lohn“ bezahlt. Es entstanden die ersten Klöster und für Krankenpflege und Heilkunde begann ein neues Zeitalter: Ordensmänner und -frauen übernahmen wesentliche Anteile der Pflege. Auch bei anderen Weltreligionen wie dem im Judentum und dem Islam finden sich frühe Hinweise auf die Ausbildung von Pflegenden oder die Errichtung von Krankenhäusern.
Wärter mit geringem Ansehen
Im Mittelalter (500 bis 1.500 nach Christus) wurde die gesundheitliche Primärversorgung der Menschen von einer ganzen Reihe an Gesundheitsberufen wie Badern, Zahnbrechern, Starstechern, heilkundigen Frauen und Männern sowie Hebammen übernommen. Mit den am Ende des Mittelalters aufkommenden Hexenverfolgungen ging ein Großteil des Wissens, das von den „weisen Frauen“ bewahrt und weitergeben wurde, verloren.
Das Erstarken des Humanismus brachte zu Beginn der Neuzeit große gesellschaftliche Veränderungen mit sich und die ersten Krankenhäuser unserer Vorstellung entstanden. Das Pflegepersonal bestand zunächst vorwiegend aus ungebildeten „Wärtern und Wärterinnen“ – Fachkenntnisse galten als unnötig. Entsprechend schlecht war das Ansehen des Wartpersonals in der Öffentlichkeit, die Arbeitsbedingungen waren schwierig und die Bezahlung schlecht. Gleichzeitig nahm die Medizin einen enormen Aufschwung: Beispielsweise entdeckte Ignaz Semmelweis die Ursache des Kindbettfiebers. Das Desinfizieren der Hände reduzierte die Sterblichkeit der Frauen in den ersten Wochen nach der Entbindung (Wöchnerinnen) enorm.
Kaiserswerth, Florence Nightingale und das Rote Kreuz
In der Folge gewann die Ausbildung von Pflegenden stark an Bedeutung. 1836 wurde in Kaiserswerth eine Bildungsanstalt für evangelische Pflegerinnen gegründet. Neben einer praktischen Ausbildung am Krankenbett wurden theoretische Inhalte wie Anatomie, Arzneimittelkunde sowie Grundlagen der Pflege und der Hygiene gelehrt. Ausgebildet wurden neben Ordensfrauen auch weltliche Schwestern. Einen weiteren Schub erhielt die Entwicklung durch die Reformerin Florence Nightingale. Auch sie war der Überzeugung, dass theoretisches Wissen und das Erlernen praktischer Fähigkeiten die Voraussetzungen guter Pflege seien. Die von ihr gegründete Schule trug nachhaltig zur Professionalisierung des Pflegeberufes bei. Etwa zur selben Zeit begründete Henry Dunant die internationale Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung, die ebenfalls weltanschaulich und konfessionell unabhängige Krankenpflegeschulen einrichtete. Kurz nach der Jahrhundertwende setzte Agnes Karll in Deutschland die einheitliche Berufsbezeichnung „Krankenschwester“ sowie eine dreijährige Ausbildungszeit durch.
In angloamerikanischen Ländern entstanden bereits ab 1910 erste Hochschulstudiengänge für die Pflege, mit dem Ziel eine akademische und pflegewissenschaftliche sowie eine praktische Ausbildung der Pflegekräfte zu gewährleisten.
Der erste Weltkrieg brachte diese Entwicklung zum Erliegen: Von 1914 bis 1918 wurden Krankenschwestern hinter der Front eingesetzt. Sie versorgten Verwundete, assistierten bei Operationen und arbeiteten in Seuchenlazaretten. Aber auch Kochen, Putzen und Waschen gehörten zu ihren Aufgaben.
Nationalsozialismus: Dunkle Jahre der Krankenpflege
Ab 1933 wurden weltliche und kirchliche Berufsorganisationen im Bereich Pflege unter die Schirmherrschaft der nationalsozialistischen Volkswohlfahrt gestellt. Es entstanden die „NS-Schwesternschaft“ sowie der „Reichsbund Deutscher Schwestern“, die sich am nationalsozialistischen Rollenbild orientierten. Viele Pflegepersonen waren in dieser dunklen Zeit an Verbrechen gegen die Menschlichkeit beteiligt – beispielsweise an Euthanasie, Massenvernichtungen, Zwangssterilisationen und -abtreibungen. Schwestern während der NS-Zeit dienten neben der Volksgesundheit (Gemeindeschwestern), der Krankenhauspflege und der Pflege von Kriegsverletzen auch der krankenpflegerischen Versorgung des Parteiapparates dienten, aber auch der nationalsozialistischen Bevölkerungs- und Rassenpolitik, z.B. in den Heimen des sogenannten Lebensborn-Vereins. Pflegepersonen jüdischer Abstammung oder jene, die politisch unerwünscht waren, wurden aus dem Dienst entfernt.
Ähnliche Entwicklungen nach 1945 in beiden deutschen Staaten
Erst nach den beiden großen Kriegen entwickelte sich die Pflege wieder weiter. In den 1950er Jahren wurde teilweise mit Unterstützung der Besatzungsmächte versucht, die Pflege in Deutschland neu zu positionieren und Anschluss an internationale Entwicklungen zu finden.
Dabei wurde die Professionalisierung der Pflegeberufe in der DDR schneller vorangetrieben als in Westdeutschland: Im Osten wurde die Krankenpflege bereits in den 1950er Jahre in das allgemeine Berufsbildungs- und Facharbeiterwesen integriert. In der BRD blieb sie zunächst weiter außerhalb der allgemeinen Berufsbildungswege. In der DDR wurden außerdem bereits ab 1963 Studiengänge für Medizinpädagogik und Diplomkrankenpflege eingerichtet. In der BRD wurden erst in den frühen 1980ern pflegewissenschaftliche Studiengänge angeboten.
Aber es gab auch viele Parallelen: In Ost und West wurden besondere Qualifikationswege für Leitungsfunktionen und Lehrende in der Krankenpflege installiert. Innerhalb des Berufsstandes bestand jeweils eine starke hierarchische Gliederung und trotz großer Bemühungen blieb der Anteil der männlichen Pflegekräfte bei etwa 10% (Stand 1970). Erst seit den 1990er Jahren ist eine allmähliche Steigerung der Anzahl an Männern in der Pflege zu verzeichnen.
Mit den enormen Fortschritten in der Medizin in den vergangenen Jahrzehnten gehen auch immer größere Anforderungen an die Pflegenden einher. Dem trägt unter anderem die starke Differenzierung in der Fachkrankenpflege Rechnung – beispielsweise mit Intensivpflege und Anästhesie, Kinderkrankenpflege, Stomatherapie oder Onkologie. Das erforderliche Wissen wird dabei immer umfangreicher. Neben einer hohen Fachkompetenz ist deshalb heute die Bereitschaft für lebenslanges Lernen eine zentrale Voraussetzung für den Pflegeberuf.
Wer mehr über die Geschichte der Krankenpflege wissen will, kann im Düsseldorfer Stadtteil Kaiserswerth mit seiner traditionsreichen Diakonissenanstalt ein Pflegemuseum mit einer umfangreichen Sammlung besuchen (https://fliedner-kulturstiftung.de/index.php/das-museum)
Quellen:
Messner Irene: Geschichte der Pflege; Facultas Verlags- und Buchhandels AG, Wien, Österreich 1. Auflage 2017.
Krampe Eva-Maria: Krankenpflege im Professionalisierungsprozess. Die Hochschule 1/2013; verfügbar unter https://www.hof.uni-halle.de/journal/texte/13_1/Krampe.pdf (letzter Zugriff 18.4.2020)
Die onkologische Fachpflegekraft und Pflegewissenschaftlerin Anja Wesemann, Hamburg, vermittelte Pflegekräften auf einem von Bristol-Myers Squibb veranstalteten Symposium grundlegendes Wissen rund um die Immunonkologie und gab praktische Tipps für den Pflegealltag. Anlass des Symposiums war der Deutsche Krebskongress (DKK), der vom 19. bis 22. Februar 2020 in Berlin stattfand. Der DKK ist der größte und älteste Fachkongress für Krebsmedizin in Deutschland. Er führt onkologisch tätige Experten, Vertreter von Patientenorganisationen, Pflegekräfte und Ärzte zusammen und fördert so die Zusammenarbeit zwischen den Fachdisziplinen. In diesem Jahr stand der DKK unter dem Motto: „informativ. innovativ. integrativ. Optimale Versorgung für alle.“
Anja Wesemann betonte einleitend, dass sich gerade in den letzten Jahren im Bereich der Immunonkologie und onkologischen Pflege viel getan habe. „Jetzt geht es darum, Patienten zu versorgen, die mit einer immunonkologisch behandelten Erkrankung leben, und den Pflegebedarf dieser Patienten zu ermitteln“, so Wesemann. Für Pflegekräfte gelte es, die Besonderheiten der Immunonkologie als neue Säule der Krebstherapie zu erkennen und die Patienten als Experten in eigener Sache vor, während und nach der Behandlung zu unterstützen.
Wie funktioniert die Immunonkologie?
Wesemann gab zunächst einen kurzen Abriss über die Entwicklung der modernen Krebstherapie: Klassische Zytostatika dämmen als Zellgifte die rasche Teilung von Krebszellen über Eingriffe ins Erbgut ein. Dagegen hat die zielgerichtete Therapie die biologischen Eigenschaften von Krebszellen genauer im Blick. Zielgerichtete Medikamente wirken z. B. an Rezeptoren auf der Zelloberfläche und beeinflussen Wachstumssignale, die von diesen in die Zelle hinein gesendet werden. „Small molecules“ (kleine Moleküle) entfalten ihre Wirkung vornehmlich direkt an Signalwegen der Krebszelle, während Angiogenese-Inhibitoren Tumoren den Zugang zu Blutgefäßen verwehren.
Seit 2011 steht der Krebstherapie ein neuer Ansatz zur Verfügung: die Immunonkologie. Das Immunsystem ist zwar prinzipiell selbst in der Lage, Tumorzellen als Angriffsziele zu erkennen und zu zerstören. Jedoch funktioniert dies nicht immer: Tumorzellen können beispielsweise über bestimmte Moleküle, die als Immuncheckpoints bezeichnet werden, gegen sie gerichtete Angriffe des Immunsystems ausbremsen. Immunonkologische Medikamente wirken dieser Immunbremse entgegen. Ihre Wirkung beruht darauf, dass sie bremsende Immuncheckpoints wie CTLA4 (cytotoxic lymphocyte-associated protein A4) oder PD1 (programmed cell death protein 1) auf T-Zellen bzw. dessen „Partnermolekül“ PDL1 (programmed cell death ligand 1) auf Tumorzellen ausschalten können. Die Immunonkologie bekämpft Tumorzellen also nicht direkt, wie etwa Zytostatika oder zielgerichtete Medikamente, sondern stellt das Immunsystem auf Angriffsmodus.
Bei welchen Krebserkrankungen wird Immunonkologie eingesetzt?
Medikamente aus dem Bereich der Immunonkologie werden zur Behandlung unterschiedlichster Tumorarten eingesetzt. Die längste Erfahrung besteht bei der Behandlung des malignen Melanoms, so Wesemann. Hier werden immunonkologische Medikamente auch in Kombination und adjuvant eingesetzt, d.h. um die Vermehrung und Verbreitung von Tumorzellen nach der Operation zu verhindern. Andere Einsatzgebiete sind bestimmte Kopf-Hals-Tumoren, Lungenkarzinom, Hodgkin-Lymphom, Plattenepithelkarzinom der Haut, Urothel- bzw. Harnblasenkarzinom und das Nierenzellkarzinom.
Wichtig zu wissen: Nebenwirkungen der Immunonkologie1, 2
Nebenwirkungen der immunonkologischen Behandlung können insbesondere dann entstehen, wenn eine aktivierte T-Zelle eine gesunde Körperzelle fälschlicherweise als Krebszelle erkennt und diese attackiert. Die durch immunonkologische Medikamente hervorgerufenen Nebenwirkungen werden auch als immunvermittelte Nebenwirkungen bezeichnet. Wesemann betonte, dass „grundsätzlich jedes Organ zu jedem Zeitpunkt von einer immunvermittelten Nebenwirkung befallen sein kann“. Hier kommt Pflegekräften und onkologischem Fachpersonal bei der Aufklärung der Patienten und dem frühzeitigen Erkennen von Nebenwirkungen eine herausragende Rolle zu.
Tabelle: Häufigkeit von immunvermittelten Nebenwirkungen1
Wie bei den zielgerichteten Tyrosinkinase-Inhibitoren ist ein Ausschlag der Haut auch die häufigste Nebenwirkung immunonkologischer Medikamente; vor allem Juckreiz kann die Patienten stark belasten. Ähnlich wie bei anderen Krebsmedikamenten können auch Durchfall und Pneumonitis zum Problem werden. Dabei sind immunvermittelte Nebenwirkungen stärker ausgeprägt, wenn zwei immunonkologische Medikamente gemeinsam verabreicht werden. Manchmal können Nebenwirkungen sogar erst nach Wochen oder Monaten auftreten. Pflegekräfte sollten daher auch lange nach Beginn der Therapie wachsam sein.
Im Hinblick auf das frühzeitige Erkennen von Nebenwirkungen akzeptierten Patienten Symptomtagebücher eher weniger, berichtete Wesemann. „Wichtiger für Pflegekräfte ist es, Patienten zur Selbstbeobachtung anzuleiten und Patienten selbst in punkto Symptomerkennung zu Experten in eigener Sache werden zu lassen“, betonte die Pflegewissenschaftlerin.
Was sind Herausforderungen für die Pflege im Rahmen der Immunonkologie?
Patienten über Nebenwirkungen aufklären und informieren!
Die Schwierigkeit sei, so Wesemann, dass Nebenwirkungen häufig unspezifisch in Erscheinung treten, etwa wenn ein Patient müde oder abgeschlagen ist oder Nebenwirkungen auf andere, durchaus wahrscheinliche Probleme zurückgeführt werden können, zum Beispiel Husten auf eine Lungenentzündung oder auf die Grunderkrankung Lungenkarzinom. Bei der ärztlichen Aufklärung haben sich Patientenkarten bewährt, die es für alle Checkpoint-Hemmer gibt und die in jede Geldbörse passen, erläuterte Wesemann.
Außerdem sind Schulungsmaterialien hilfreich, auf denen Anzeichen und Symptome von Nebenwirkungen vermerkt sind, und die das Pflegepersonal mit Patienten oder Angehörigen bespricht und vermerken kann, wann ein Arztkontakt notwendig ist – beispielsweise dass Patienten bei Durchfall ihren Arzt aufsuchen sollten. Der Patient kann das Material wie eine Art Checkliste für Zuhause verwenden und beispielsweise am Kühlschrank befestigen.
Sinnvoll ist die Verwendung eines Einschätzungs- bzw. Fragebogens, den ein Patient im Wartezimmer ausfüllt und der ein "Distress-Thermometer“ zur Beurteilung der Befindlichkeit beinhalten kann. Solche Materialien unterstützen das Pflegepersonal bei der Pfleganamnese als erstem Ansatz im Rahmen eines Prozesses, der zur Lösungsfindung (Information des Arztes) beiträgt und dessen Ergebnis dann auch überprüft werden sollte.
Tipps zur Pflege bei immunvermittelten Nebenwirkungen
Wesemann kann aus jahrelanger eigener Erfahrung im Umgang mit immunonkologisch behandelten Patienten berichten. Im Rahmen ihres Vortrags gab sie dem zahlreich anwesenden Pflege- und medizinischen Fachpersonal nützliche Tipps zur Pflege wichtiger Nebenwirkungen im Klinik- oder Praxisalltag.
Pflege trockener, schorfiger oder nässender Haut3, 4, 5
Gerade bei Hautproblemen der Patienten sind Pflegekräfte gefordert. Zunächst müsse die Hautsituation durch Inspizieren auf Farbänderungen, Erwärmung, Ödem/Schwellung, Exsudation oder Trockenheit eingeschätzt werden, sagte Wesemann. Die Einteilung des Schweregrads von Nebenwirkungen ist derjenigen bei Tyrosinkinase-Inhibitoren vergleichbar. Der als Nebenwirkung bei einer immunonkologischen Behandlung typische Ausschlag entwickelt sich häufig zu einem entzündlichen Ausschlag. Juckreiz ist ebenfalls typisch, er kann auch nur phasenweise auftreten.
Allgemeine Pflegehinweise:
Bei trockener Haut:
Bei schorfiger oder schuppiger Haut:
Bei nässender Haut
Bei entzündlicher Haut
Bei Juckreiz
Sollten diese pflegerischen Maßnahmen nicht ausreichend wirken, hilft je nach individueller Situation des Patienten das Auftragen topischer Antiphlogistika oder die Gabe von Antibiotika laut ärztlicher Anordnung.
Pflegeaspekte bei Kortisontherapie
Bei immunvermittelten Nebenwirkungen höheren Schweregrads erhalten Patienten im Allgemeinen Kortikosteroide. Dabei möchten Patienten oft, so Wesemann, aus Angst vor Nebenwirkungen die Einnahme dieser teilweise lebensrettenden Medikamente vermeiden. Pflegefachkräfte können Patienten dahingehend beraten, dass Kortikosteroide bei korrekter Anwendung auf der Haut so gut wie nie mit den typischen Nebenwirkungen einhergehen, die den gesamten Körper betreffen, und höchstens lokale Probleme verursachen können.6
Kortisonpräparate sind am besten zu oder nach dem Essen, vornehmlich unzerkaut und mit ausreichend Flüssigkeit zum Frühstück zwischen 6 und 8 Uhr morgens einzunehmen. Wichtig: Hat das Kortisonpräparat seinen Zweck erfüllt, darf es nicht von einem Tag auf den anderen abgesetzt werden, sondern die Dosis muss in der Regel schrittweise über Wochen hinweg ausgeschlichen werden.
Ist eine langfristige Anwendung von Kortisonpräparaten in Tablettenform erforderlich, sollten Pflegende auf mögliche Nebenwirkungen der Kortisontherapie achten, beispielsweise auf Bluthochdruck (Blutdruck messen!), Diabetes mellitus, Magenbeschwerden, Änderung des psychischen Befindens, Augenerkrankungen oder Osteoporose.
Pflege bei Durchfall6
Wichtig ist bei Durchfall eine Überwachung bezüglich Häufigkeit, Konsistenz, Menge und Farbe des Stuhlgangs sowie die Einteilung des Schweregrads. Da starker Durchfall im Rahmen einer gelegentlich lebensbedrohenden immunvermittelten Entzündung des Dickdarms (Kolitis) auftreten kann, sollten Patienten einen „Notfallkontakt“ in Klinik oder Praxis erhalten. Durchfall kann aber auch im Rahmen anderer Gesundheitsprobleme, z. B. durch bestimmte Medikamente und bei Nahrungsunverträglichkeiten oder Infektionen auftreten, sodass die Abklärung alternativer Ursachen wichtig ist.
Hinweise für die Pflege
Fazit – Was kann die Pflege leisten?
Fortschritte in der Onkologie, insbesondere die Immunonkologie, stellen Pflegende vor neue Herausforderungen. Hierbei ist Wissen gefragt. Das Pflegepersonal spielt eine wichtige Rolle insbesondere beim Erkennen und Lindern von Nebenwirkungen der Therapie. Fortbildung trägt dazu bei, im Alltag handlungsfähiger zu sein und somit Fachärztinnen und -ärzte bei delegationsfähigen Leistungen zu unterstützen. Von besonderer Bedeutung ist eine übergreifende interprofessionelle Vernetzung, die einen kollegialen Austausch zwischen verschiedenen Versorgungsbereichen ermöglicht.