Als Non-Hodgkin-Lymphome (NHL) wird eine Gruppe verschiedener bösartiger (maligner) Erkrankungen der Lymphknoten und des lymphatischen Systems bezeichnet (Lymphom; „Lymphdrüsenkrebs“).1
Das lymphatische System ist Teil des Immunsystems und besteht vor allem aus:1
Der Begriff „Non-Hodgkin-Lymphome“ beschreibt alle Lymphome, die kein Hodgkin-Lymphom sind. Das Hodgkin-Lymphom ist ebenfalls eine bösartige Erkrankung des lymphatischen Gewebes, die nach dem englischen Arzt und Erstbeschreiber Thomas Hodgkin benannt wurde.2
Je nach den feingeweblichen Eigenschaften (Histologie) und dem Krankheitsverlauf werden die Non-Hodgkin-Lymphome in langsam wachsende (indolente; niedrigmaligne) und schnell wachsende, aggressive (hochmaligne) Lymphome unterteilt.5
In Deutschland erkranken jährlich ca. 18.400 Menschen an einem Non-Hodgkin-Lymphom.3 Die Erkrankung kann bereits im Kindesalter auftreten. Das Risiko steigt jedoch mit zunehmendem Alter fast kontinuierlich an. Das mittlere Erkrankungsalter liegt für Frauen bei 72 Jahren und für Männer bei 70 Jahren.
Der Verlauf (Prognose) der Non-Hodgkin-Lymphome ist mit relativen Fünf-Jahres-Überlebensraten von 70 % bei Frauen und 68 % bei Männern insgesamt eher gut, im Einzelnen jedoch von Alter sowie Typ und Ausbreitung der Erkrankung abhängig.3
Alle Informationen in diesem Kapitel beziehen sich auf das indolente (niedrigmaligne) follikuläre Lymphom sowie auf das aggressive (hochmaligne) diffus großzellige B-Zell-Lymphom.
Je nach den feingeweblichen Eigenschaften (Histologie), der Bösartigkeit (Malignität) und der Wachstumsgeschwindigkeit werden die Non-Hodgkin-Lymphome in zwei Hauptgruppen unterteilt:4
Rund 70 % der Non-Hodgkin-Lymphome sind langsam wachsende (indolente) Lymphome. Es handelt sich dabei um chronische Krankheiten, die sich durch eine Behandlung gut zurückdrängen lassen. Eine Heilung ist in der Regel jedoch nicht möglich.
Zu den indolenten Non-Hodgkin-Lymphomen gehören unter anderem:
Etwa 30 % der Non-Hodgkin-Lymphome sind aggressive Lymphome, die schnell wachsen und sofort intensiv behandelt werden müssen. Dann ist eine Heilung möglich.
Die diffus großzelligen B-Zell-Lymphome (DLBCL) machen rund ein Drittel aller NHL-Fälle aus und sind damit die häufigste Form der malignen Lymphome. Auch das Burkitt-Lymphom sowie die Mantelzell-Lymphome gehören zu den hochmalignen Non-Hodgkin-Lymphomen.3
Beim follikulären Lymphom (FL) und beim diffus großzelligen B-Zell-Lymphom (DLBCL) kommt es zu einer unkontrollierten Vermehrung bösartig veränderter weißer Blutkörperchen vom B-Typ (B-Lymphozyten), die ursprünglich eine wichtige Funktion in der körpereigenen Abwehr (Immunsystem) übernehmen.4, 6
Welche Ursachen dazu führen, dass sich ein FL oder DLBCL entwickelt, ist bisher noch nicht ausreichend geklärt.
Beim follikulären Lymphom kann man bei etwa 90 % der Erkrankten eine spezifische Genveränderung nachweisen, die zur Hemmung des programmierten Zelltods (Apoptose) führt.5 Die betroffenen Zellen haben damit eine deutlich verlängerte Lebensdauer und sammeln sich im lymphatischen Gewebe in großer Zahl an. Allerdings wurde diese Mutation auch bei gesunden Menschen nachgewiesen. Sie ist also nicht der alleinige Auslöser eines follikulären Lymphoms.
Mögliche Risikofaktoren können sein:4, 6, 7
Follikuläre Lymphome (FL) wachsen in der Regel langsam (indolent) und über Jahre unauffällig. Sie werden daher häufig erst im fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert oder nicht selten auch zufällig entdeckt, bevor Beschwerden auftreten.5, 8
Das diffus großzellige B-Zell-Lymphom (DLBCL) wächst dagegen schnell und aggressiv.6
Zu den möglichen Beschwerden beider Erkrankungen gehören:6, 8
Bei Verdacht auf ein follikuläres Lymphom (FL) oder ein diffus großzelliges B-Zell-Lymphom (DLBCL) können die folgenden Untersuchungen durchgeführt werden, um die Diagnose zu sichern:4, 6, 9
Um festzustellen, ob und, wenn ja, wie weit sich die Erkrankung bereits im Körper ausgebreitet hat, wird eine Ausbreitungsdiagnostik vorgenommen. Damit lässt sich das Stadium der Erkrankung feststellen und die Behandlung gezielt planen.
Zur Ausbreitungsdiagnostik bei Non-Hodgkin-Lymphomen gehören vor allem:6, 9
Beim follikulären Lymphom wird im Rahmen der Diagnose zudem das sogenannte Grading des Tumors bestimmt. Es wird in vier Grade (1, 2, 3A und 3B) unterteilt. Die ersten drei Grade zeichnen indolente follikuläre Lymphome aus. Beim Grad 3B liegt ein malignes follikuläres Lymphom vor, das dann therapeutisch wie ein großzelliges B-Zell-Lymphom behandelt wird.5
Wenn die Diagnose eines follikulären Lymphoms (FL) oder diffus großzelligen B-Zell-Lymphoms (DLBCL) gesichert ist, erfolgt anhand der Befunde eine Einteilung in Stadien. Dies ist wichtig für die Auswahl der Therapie.
Die Zuordnung zu Stadien wird allgemein nach der für maligne Lymphome entwickelten Ann-Arbor-Klassifikation vorgenommen. Unterschieden werden vier Stadien, je nachdem, wie viele und welche Lymphknoten bzw. Gewebe und Organe betroffen sind. Das Stadium ist umso höher, je weiter sich der Befall von Lymphknoten im Körper ausgebreitet hat.4, 6
Stadieneinteilung maligner Lymphome nach
Zusätzlich zum Stadium wird mit einer Zusatzbezeichnung angegeben, ob bei dem Patienten bzw. der Patientin B-Symptome bestehen:
Darüber hinaus wird anhand des Internationalen Prognostischen Index (IPI; für das follikuläre Lymphom: FLIPI) der wahrscheinliche Verlauf der Erkrankung (Prognose) abgeschätzt.6 Als Risikofaktoren gelten:
In Abhängigkeit von der Anzahl der Risikofaktoren werden vier Risikogruppen unterschieden, die das Risiko für ein Rezidiv und die potenzielle Lebenserwartung beim follikulären Lymphom widerspiegeln:6
Die Behandlung des indolenten, niedrigmalignen follikulären Lymphoms (FL) richtet sich nach dem Stadium der Erkrankung sowie dem Allgemeinzustand der Betroffenen und evtl. vorliegenden Begleiterkrankungen.4
Für die Erstlinientherapie (auch Primärtherapie) stehen die folgenden Therapiemöglichkeiten zur Verfügung:
Für Erkrankte mit einem indolenten, niedrigmalignen follikulären Lymphom im lokalisierten Stadium (I, II) ist die Bestrahlung der betroffenen und angrenzenden Lymphknoten die Therapie der Wahl. Diese Behandlung kann potenziell sogar eine Heilung der Erkrankung erzielen. In späteren Stadien (III und IV) kommen andere Therapieoptionen infrage.4, 6
Wenn Sie Näheres zu den Grundlagen der Strahlentherapie in der Onkologie erfahren möchten, gehen Sie zu „Strahlentherapie“.
Bei Menschen mit einem indolenten, niedrigmalignen follikulären Lymphom (Stadien I, II und III) ohne Symptome wird zunächst meist keine Therapie eingeleitet, sondern die „Watch and Wait“-Strategie eingesetzt. Das bedeutet, dass die Betroffenen engmaschig überwacht und untersucht werden, um die Entwicklung des Lymphoms zu beobachten. Wenn die Krankheit sich weiterentwickelt, kann eine entsprechende Therapie eingeleitet werden.4, 6
Bei Menschen mit einem indolenten, niedrigmalignen follikulären Lymphom in den fortgeschrittenen Stadien III und IV mit hoher Tumorlast, schnellem Wachstum des Lymphoms und Beschwerden ist eine systemische Behandlung notwendig, da diese an allen vom Lymphom betroffenen Stellen des Körpers wirkt.6
Die Standardtherapie für Erkrankte mit gutem Allgemeinzustand ist in der Regel eine Kombination des Antikörpers Rituximab (R) mit einer Chemotherapie (Immun-Chemotherapie) wie z. B. Bendamustin oder dem CHOP-Schema, das die Wirkstoffe Cyclophosphamid, Vincristin, Doxorubicin und Prednison kombiniert (R-CHOP).6
Die Immun-Chemotherapie führt zu einem sehr guten Ansprechen, jedoch ist die Wahrscheinlichkeit für einen Rückfall (Rezidiv) innerhalb einiger Jahre relativ hoch.6
Um dies zu verhindern, wird anschließend eine Erhaltungstherapie mit Rituximab über insgesamt zwei Jahre durchgeführt.
Bei Erkrankten mit schlechtem Allgemeinzustand wird individuell geprüft, welche Therapieoptionen infrage kommen. Beispiele hierfür sind eine Therapie mit Rituximab oder eine orale Chemotherapie in Kombination mit Best Supportive Care.5
Eine neue Option für die Behandlung von Patient:innen mit einem indolenten, niedrigmalignen follikulären Lymphom ist die Gabe von Signalweg-Inhibitoren.6, 10
Diese Gruppe von Medikamenten schaltet bestimmte Wachstumssignale aus und hemmt damit das Wachstum der Lymphomzellen.
Wenn die Erkrankung nach abgeschlossener Therapie zurückkehrt, spricht man von einem Rezidiv. Dies ist im Fall des follikulären Lymphoms kein seltenes Phänomen. Für die Rezidiv-Therapie stehen verschiedene Therapieoptionen zur Verfügung. Bevor eine Rezidiv-Therapie eingeleitet wird, sollte erneut ein Lymphknoten entnommen und histologisch untersucht werden. So wird geklärt, ob die Erkrankung sich mittlerweile möglicherweise zu einer bösartigen Form weiterentwickelt hat. Es muss außerdem berücksichtigt werden, wie viel Zeit vom Therapieende bis zum Auftreten des Rezidivs vergangen ist. Man unterscheidet hier nach Frührezidiven und Spätrezidiven.
Frührezidive erfordern in der Regel eine intensive Behandlung. Bei jüngeren Patient:innen in gutem Allgemeinzustand, die innerhalb von zwei Jahren nach einer ersten Therapie einen Rückfall (Rezidiv) erlitten haben, ist die Hochdosis-Chemotherapie mit Rückgabe eigener Stammzellen (autologe Stammzelltransplantation) eine Behandlungsmöglichkeit.11
Bei Spätrezidiven kann die ursprüngliche Therapie (z. B. Immun-Chemotherapie) wiederholt werden. Dabei wird jedoch in der Regel der Chemotherapie-Anteil gewechselt. Wenn in der Primärtherapie die Wirkstoffkombination CHOP zum Einsatz kam, wird in der Rezidiv-Therapie Bendamustin eingesetzt und umgekehrt.11
Das diffus großzellige B-Zell-Lymphom (DLBCL) wächst in der Regel schnell und aggressiv und breitet sich frühzeitig im Körper aus, sodass eine Behandlung gleich nach der Diagnose begonnen werden sollte.6
Zur Verfügung stehen die folgenden Therapiemöglichkeiten:
Bei Menschen mit einem diffus großzelligen B-Zell-Lymphom (DLBCL) ist eine systemische Behandlung notwendig, da diese auf alle Lymphomzellen im Körper wirkt.6
Standard ist meist eine Kombination des Antikörpers Rituximab (R) mit einer Chemotherapie (Immun-Chemotherapie) wie z. B. Bendamustin oder dem CHOP-Schema, das die Wirkstoffe Cyclophosphamid, Vincristin, Doxorubicin und Prednison kombiniert.6
Bei einem Rückfall (Rezidiv) hängt die Behandlung vor allem vom Alter der Betroffenen, ihrem Allgemeinzustand sowie der Dauer der krankheitsfreien Zeit (Remission) ab.6
Jüngere Erkrankte können zunächst eine intensive Immun-Chemotherapie, z. B. mit R-DHAP (Rituximab, Dexamethason, hochdosiertes Ara-C und Cisplatin) oder mit R-ICE (Rituximab, Ifosfamid, Carboplatin, Etoposid), erhalten.6
Anschließend wird eine Hochdosis-Chemotherapie mit Rückgabe eigener Stammzellen (autologe Stammzelltransplantation) verabreicht.
Bei älteren Menschen, die keine Hochdosis-Therapie vertragen, lässt sich mit der Immun-Chemotherapie R-Gemcitabin-Oxaliplatin oder R-Bendamustin ein Ansprechen erreichen.6
Sofern bei Menschen mit einem diffus großzelligen B-Zell-Lymphom (DLBCL) große Tumormassen (engl. „bulky disease“ oder „bulk“) vorhanden sind, wird nach der Immun-Chemotherapie eine zusätzliche Strahlentherapie empfohlen, um die Tumorlast zu verkleinern.6
Seit Kurzem stehen für die Behandlung von Menschen mit rezidiviertem bzw. refraktärem DLBCL, welche bereits mindestens zwei Vortherapien erhalten haben, auch Zelltherapien zur Verfügung.12 Bei der CAR-T-Zell-Therapie werden als T-Zellen bezeichnete eigene Immunzellen der Patient:innen mithilfe einer Apherese isoliert und im Labor gentechnisch so verändert, dass sie Lymphomzellen erkennen und abtöten können.
Die T-Zellen der Patient:innen werden dafür mit einem Andockmolekül ausgestattet, das als CAR (chimärer Antigenrezeptor) bezeichnet wird und gegen das Antigen CD19 gerichtet ist. Dieses Antigen ist auf der Oberfläche von Lymphomzellen sowie gesunden B-Zellen vorhanden. Nach der Ausstattung der T-Zellen mit Anti-CD19-CARs werden diese über eine Infusion an die Patient:innen zurückgeführt, die nun mithilfe ihrer eigenen Immunzellen (CAR-T-Zellen) gegen den Krebs ankämpfen können.13